Die Korrektur der Vergangenheit by Andrew Miller

Die Korrektur der Vergangenheit by Andrew Miller

Autor:Andrew Miller
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: 19. Jahrhundert, Die Gabe des Schmerzes, England, Großbritannien, Hebriden, Hilary Mantel, Impac, Krieg, Liebe, Napoleon, Rache, Schuld, Spanien
Herausgeber: Paul Zsolnay Verlag
veröffentlicht: 2023-12-15T00:00:00+00:00


14

Als sie südlich von Carlisle um eine Biegung am Rand eines Kieferngehölzes kamen, sahen sie zweihundert Schritt vor sich eine quer über die Straße formierte Linie Kavallerie. Sie ritten weiter.

»Warten die auf uns?«, fragte Medina.

»Warum sollten sie auf uns warten?«, sagte Calley. Sie sprachen, ohne einander anzusehen.

»Zwei Männer«, sagte Medina, »die nach Norden unterwegs sind. Einer davon ein Spanier. Man muss sie anhalten.«

»Quatsch.«

»Sie suchen jemanden.«

»Aber nicht uns.«

Die Natur zeigte sich von ihrer freundlichsten, jedenfalls für Cumberland freundlichsten Seite. Ein kleiner Regenguss am frühen Morgen hatte Sonnenschein und sauberen blauen Schatten Platz gemacht. Bäume glänzten. Die Hügel wirkten anheimelnd.

»Zwanzig«, sagte Medina.

»Zweiundzwanzig«, sagte Calley. »Nein. Dreiundzwanzig.« Er hatte den Offizier ausgemacht, einen Mann, der knapp hinter seinen Männern auf einem grauen Pferd saß. Auf der Straße war sonst niemand. Kein Bauernkarren, keine fahrenden Händler oder Packpferde. Und es gab keine Abzweigungen, weder nach links noch nach rechts.

Noch fünfzig Schritt. Es war ein Spiel! Dreiundzwanzig Augenpaare starrten ihnen entgegen. Medinas Pferd warf den Kopf hoch, und er strich ihm beruhigend über den warmen Hals.

Bei dreißig Schritt setzten die vier Kavalleristen in der Mitte der Linie ihre Pferde nach vorn in Bewegung, scherten aus, zwei zur einen und zwei zur anderen Seite, und stellten sich einander gegenüber auf. Hatten sie das geübt? Einexerziert? Auf der Straße bestand jetzt eine Lücke, die etwa so breit war wie ein Weidegatter. Noch zehn Schritt. Sie kamen in den Bereich, in dem Männer miteinander kämpfen. Armlänge plus Länge der Klinge. So nahe, dass sie die Stickerei an einem Kragen, die Falten in einem Stiefel erkennen konnten. Medina nickte. Das Nicken war an niemand Bestimmten gerichtet, er nickte einfach. Niemand sagte etwas. Die Stille war unmenschlich. Sie trafen auf die Linie; sie passierten sie. Es war, wie wenn man unter dem Schatten einer Brücke hindurchkam. Die Straße vor ihnen war leer, ihre Oberfläche mit den glänzenden Äpfeln der Kavalleriepferde gesprenkelt.

»Schauen Sie sich nicht um«, sagte Calley.

»Ich habe nicht die Absicht«, sagte Medina.

»Schauen Sie auch mich nicht an.«

»Ich habe nicht die Absicht.«

Sie grinsten beide, fühlten sich beide leicht wie Luft.

Die letzte Etappe der Reise war die beschwerlichste. Sie hatten das Gefühl, ihrem Ziel nahe zu sein, aber sie waren es nicht, noch nicht. Sie überquerten die Grenze, überquerten eine Hügelkette, überquerten eine weitere. Sie erfuhren den Namen des Flusses, dem sie folgten: Annan. Mehrmals gaben sie die Straße frei, um Viehtreiber passieren zu lassen. Einmal wurden über dreihundert Stück Vieh an ihnen vorbei in Richtung Süden getrieben. Das hatte etwas Militärisches. Die große Zahl. Der Geruch und wie die Straße aufgewühlt wurde.

Medina kam das Land so wild vor wie Spanien, wie das alte Kastilien. Im Hochland sah er Adler — kleine, gebogene Stöcke, die sich in den Luftströmungen am Himmel drehten, und dieser von einem Blau wie ein Futterstoff, wie der Grundstoff von Weite. Madre perla. Madre de Dios …

Zwei Nächte schliefen sie in den Hügeln, erwachten zitternd, die Arme um sich geschlungen, schlecht gelaunt, doch bis zum Mittag war die Sonne so heiß, dass sie die Feuchtigkeit aus ihren Mänteln sog und jeder in seine eigene Wolke gehüllt war.



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